Back to normal ist keine Option!
Tanja Blume ist Co-Präsidentin der JUSO Kanton Bern, studiert Rechtswissenschaften und wohnt in Burgdorf.
Sie war so freundlich und hat eines ihrer interessanten Plädoyers zur Veröffentlichung freigeben.
Ursprüngliches Datum der Veröffentlichung: 26.04.2021
Vielen Dank dafür!
Wenn wir über Corona sprechen, fragen wir oft: „Wann wird alles wieder normal?“ Das ist verständlich. Ich wünsche mir zurück, in einer Bar einen Mojito zu geniessen, an einem Konzert abzufeiern, an einer Party wild mit einem Fremden rumzumachen, mit dem Nachtzug fremde Länder zu bereisen... Oder um etwas seriöser zu sein: Ich will mit meinem Grosi einen Tee trinken gehen, alle Menschen in meinem Umfeld umarmen, an politischen Podien über alle Themen ausser Corona diskutieren, an der Uni vor Ort mit meinen Kommiliton*innen und Dozierenden lernen... Ja, ich wünsche mir das Leben vor Corona ja auch zurück, irgendwie.
Aber mich stört es, wie teilweise momentan argumentiert wird: Wenn man die Clubs wieder öffnet, geht es dann den Jugendlichen psychisch plötzlich viel besser? Wenn die Intensivstationen nicht mehr voll mit Corona-Patient*innen sind, ist dann die Pflege nicht mehr überlastet? Wenn die Restaurants wieder ganz öffnen dürfen, leben dann keine Gastronom*innen mehr mit Existenzängsten? Wenn die Menschen wieder auf den Strassen unterwegs sind und Bargeld bei sich haben, sind dann alle Probleme der Bettler*innen gelöst? Wenn die Schulen geöffnet sind, gibt es dann keine Kinder mehr, welche dem Unterrichtsstoff hinterherhinken?
Corona hat all diese Ungleichheiten und Probleme verschärft und die Diskussion rund um sie in die Mitte der Gesellschaft gebracht. Aber es ist nicht so, als hätten diese Probleme vor Corona nicht existiert und nach der Pandemie werden sie auch nicht wie ein Wunder verschwinden. Ein paar Ausgehnächte, in denen man die Sorgen im Alkohol ertränkt, ändern im Endeffekt auch nichts daran, unter welch enormem Leistungsdruck die Jugendlichen heutzutage stecken. Ein bisschen Applaus für Pfleger*innen macht ihre Überstunden auch nicht kürzer und ihre Löhne auch nicht höher. Ein paar Härtefallgelder lösen die Überlebensprobleme von unendlich vielen KMUler*innen, welche sich im Konkurrenzkampf gegen Grosskonzerne behaupten müssen, auch nicht. Ein Fünfliber für eine Obdachlose ändert nichts am Stigma, mit dem sie in dieser Gesellschaft behaftet ist. Und geöffnete Schulen bringen auch nichts, wenn bei der Bildung bis zum geht nicht mehr gespart wird und Lehrpersonen überall kurz vor dem Burnout stehen.
Corona ist nicht die einzige Krise, welche wir bekämpfen müssen. Klimakrise, Patriarchat, Rassismus, Corona – all diese Probleme sind mit dem Wirtschaftssystem verbunden, in dem wir leben, dem Kapitalismus. Packen wir also die Probleme an den Wurzeln an, anstatt Pflästerlipolitik zu betreiben!
Wir müssen endlich diese verdammten Patente auf die Impfstoffe aufheben, in eine gute öffentliche Gesundheitsversorgung investieren und mehr Therapieplätze für Personen mit psychischen Problemen schaffen! Wir müssen endlich Politik für die 99% anstatt für die Grosskonzerne machen, anständige Löhne für Pfleger*innen, Lehrpersonen und alle anderen einführen, ein Existenzminimum für alle Personen unabhängig von Passfarbe oder Arbeitsfähigkeit gewährleisten und in die Bildung investieren anstatt dort zu sparen.
Kurz gesagt: Wir brauchen eine Revolution! Wir wollen eine andere Gesellschaft und Wirtschaft - eine queerfeministische, ökologische, anti-rassistische, solidarische Welt für die 99%. „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“
Weitere Informationen
Das Smartvote-Profil von Tanja Blume (Nationalratswahlen 2019):
https://www.smartvote.ch/de/group/2/election/19_ch_nr/db/candidates/44200006629
Weitere Informationen über die JUSO Kanton Bern:
https://be.juso.ch/
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