Kurzinterview mit Tanja Blume
Co-Präsidentin JUSO Kanton Bern
Was müsste passieren, falls die Bevölkerung am 26. September Nein zur Ehe für alle sagen würde? (Die Ehe gleich ganz abschaffen?).
Das wäre wirklich schlecht, denn solche Abstimmungen haben jeweils eine enorme Bedeutung, die über die Inhalte der einzigen Vorlagen hinausgehen. Wenn wir am 26. September Ja zur Ehe für alle sagen, setzen wir auch ein Zeichen für Vielfalt und zeigen queeren Menschen, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind. Deshalb muss unbedingt ein grosser Anteil an Ja-Stimmen her! Ich bin aber optimistisch, dass wir das schaffen.
Die Ehe ganz abzuschaffen oder – noch besser – sich modernere Rechtsinstitute auszudenken, welche den heute gelebten Beziehungen gerecht werden, fände ich sinnvoll. Am wichtigsten ist jedoch, egal ob ein Nein oder Ja herauskommt: Wir müssen weiter für die Gleichberechtigung von queeren Menschen einstehen! Denn diese ist noch lange nicht erreicht. Auch mit der aktuellen Vorlage werden frauenliebende Frauen im Vergleich zu heterosexuellen Frauen immer noch benachteiligt. Das müssen wir ändern!
Was ist deine persönliche Motivation dich für die Ehe für alle einzusetzen?

Ich bin Feministin und für mich ist sonnenklar, dass Feminismus sich auch für queere Personen einsetzen muss. Wir leben in einem Patriarchat, wo eine klare Vorstellung davon herrscht, wie „Frauen“ und „Männer“ auszusehen haben und wie sie Beziehungen leben müssen. Dabei gibt es so viele Identitäten jenseits der cis-hetero-Norm! Diese werden übersehen und unterdrückt. Mit einem Ja zur Ehe für alle machen wir einen grossen Schritt in Richtung Gleichberechtigung von queeren Menschen.
Auch viele andere Mitglieder deiner Partei setzen sich lautstark für die Ehe für alle ein. Handelt es sich um ein «ur-linkes» Anliegen?
Inzwischen sind es nicht nur rote und grüne Parteien, welche sich für queere Anliegen einsetzen. Das freut mich, weil es wichtige Anliegen sind, welche jetzt endlich Gehör finden müssen. Deshalb kämpfe ich gerne mit Freisinnigen, Menschen aus der Mitte und sogar einigen aus der SVP zusammen für die Ehe für alle.
Jedoch ist klar: Ich bin gegen Regenbogen-Kapitalismus. Sich die Gleichberechtigung auf die Fahne zu schreiben, wenn man dann queeren Geflüchteten keinen Schutz bietet, ist halt ziemlich heuchlerisch. Die erste Pride war übrigens kein Event in Zürich, wo man nur mit Kreditkarte bezahlen kann, sondern ein Aufstand in den USA, der sich gegen die Repression wehrte, welche die Polizei gegen Homosexuelle und trans Personen betrieb.
LGBTIQ+ Menschen werden nicht nur rechtlich, sondern auch in anderen Bereichen diskriminiert. So werden sie beispielsweise auch häufiger Opfer von Gewalt. Sollte der Rechtsstaat hier nicht härter durchgreifen und eine restriktive Law&Order Politik betreiben?
Es braucht gar nicht einmal eine harte law & order Politik. Das Problem beginnt schon viel früher: Es wird nämlich nicht einmal eine Statistik darüber geführt, wie oft queere Menschen Opfer von Gewalt werden. So kann sich unsere Gesellschaft dem Problem gar nicht bewusst sein und auch keine Prävention betreiben.
Auch in anderen Bereichen sollten wir bessere Aufklärung leisten und Stereotype durchbrechen: Es darf nicht sein, dass Lesben bloss als Pornokategorie gesehen werden, dass Männer und männlich gelesene Personen keine Röcke tragen dürfen und dass „schwul“ auf den Pausenplätzen in den Schulen immer noch als Schimpfwort benutzt wird!
Das können und müssen wir als Gesellschaft besser machen – nach dem Ja zur Ehe für alle am 26. September kämpfen wir weiter für eine queerfeministische Welt!
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